Artikelserie TV Gondelsheim
In unserer Artikelserie erzählt heute Hans Herrmann von der Geschichte des Turnvereins.
Herzlichen Dank für diesen Bericht.
120 Jahre Turnverein Gondelsheim
Die Anfänge bis zum Stillstand des 1.Weltkrieges und Neubeginn 1919
Man schreibt das Jahr 1811, als der Pädagoge Friedrich Ludwig Jahn auf der Berliner Hasenheide eine Anzahl von Buben und jungen Männern um sich schart und mit ihnen körperliche Ertüchtigung probt. Das Turnen ist geboren!
Entgegen den Gegebenheiten in der damaligen Gesellschaft spielen für den nicht unumstrittenen Jahn weder Stand noch Religionszugehörigkeit seiner Zöglinge eine Rolle. Was alleine zählt, sind Wunsch und Wille zu gemeinsamer sportlicher Betätigung. Eine Revolution!
Die Jahnschen Ideale steuern die Turnerschaft über die folgenden 210 Jahre durch manche politischen und kriegerischen Auseinandersetzungen und lassen sie zu einer weltumspannenden Vereinigung werden.
Man schreibt das Jahr 1901, als sich in Gondelsheim eine Gruppe von 32 jungen Männern zusammenfindet, um im Jahnschen Sinne einen Turnverein, den TV Gondelsheim e.V., zu gründen. Man sucht die gemeinschaftliche sportliche Herausforderung, aber auch das friedliche und freundliche Miteinander.
Am 27.Juni ist es soweit, dass man die Gründung in der Brauerei Jakob Dieter vollziehen kann, in strenger Befolgung der Satzung der Deutschen Turnerschaft und mit dem Gremium Turnrat an der Spitze.
Sich weitgehend politisch neutral verhaltend, gelingt es dem jungen Verein in relativ kurzer Zeit, Vorbehalte in Bevölkerung und Gemeindeverwaltung gegen das “neumodische Zeug“ abzubauen und sich ins Gemeindewesen zu integrieren. Ebenso erfolgt die Integration in die überörtliche Gemeinschaft der umliegenden Turnvereine mit Wettkämpfen, Turntagen und Festen aller Art, bis hin zu gemeinsamen Kirchgängen an Großherzogs- und Kaisers Geburtstag.
In den bald nach der Gründung aufgenommenen Übungsstunden herrschen strenge Sitten; unbedingter Gehorsam wird den Turnern abverlangt, Ausschlüsse sind die Folge von Verstößen gegen die Satzung oder “Zucht und Ordnung“.
Zuerst muss ohne die gebräuchlichen Geräte geübt werden. Als Übungsstätte dient der Saal im Gasthaus Krone, wo man sich mit Freiübungen und Marschieren ertüchtigt. Bald gibt’s jedoch eiserne Gymnastikstäbe vom örtlichen Hufschmied, sowie Reck, Barren und Sprungbrett von einer Speyerer Gerätefirma, dank großzügiger Unterstützung von Gräfin Douglas, die zur ständigen Sponsorin des Vereins wird.
1908 wird die erste, noch heute im Schaukasten in der Turnhalle zusehende Fahne beschafft und im Rahmen eines großen Festes vom 20.-22.Juni eingeweiht. Heftige Regenfälle drohen die Veranstaltungen zu verhindern, jedoch macht der Gondelsheimer Zusammenhalt die Verlagerung vom Freigelände ins Rathaus und in eine Feldscheune möglich. Am letzten Festtag kann sich die neue Fahne bei Sonnenschein an der Spitze des großen Festumzugs präsentieren.
1909 ermöglicht die Gemeindeverwaltung die Eröffnung eines angemessenen Übungsplatzes in der Leimengrube. Eine Turnhütte wird von den Turnern aus Eigenmitteln und in Eigenarbeit erstellt. Sie wird auch von der Schule zu sportlicher Betätigung genutzt.
1911 feierte der Verein sein 10-jähriges Jubiläum mit vereinsoffenem “Zöglingswettturnen“, Schauturnen, Glücksrad, Preiskegeln und Preisschießen.
1912 nimmt der Verein am Gauturntag auf dem Wilfenberg/Oberderdingen teil, sowie am “Eilbotenlauf“ Jöhlingen-Eppingen und am Kreisturnfest in Freiburg mit ca. 10.000 Teilnehmern. Die schon traditionelle Weihnachtsfeier wird erstmals von einer 8-köpfigen Damenriege aufgewertet. Der Chronist beschreibt ihren Auftritt mit: „In allen Teilen mit außergewöhnlichem Schneid“.
1913 lehnt der Turnrat einstimmig den Beitritt zum aufstrebenden “Jungdeutschlandbund“ ab und bewahrt sich damit seine politische Unabhängigkeit und Neutralität. Ein weiser Beschluss!
1914 im Juni ist ein großes Sommerfest auf der Schloßwiese geplant. Es muss jedoch wegen der drohenden Kriegsgefahr und weil die meisten aktiven Turner schon zum Militär eingezogen sind, abgesagt werden (unsere Coronakrise lässt grüßen). Im Oktober fällt dann die Entscheidung, den Vereinsbetrieb bis zum Kriegsende einzustellen. Zu diesem Zeitpunkt hat der Turnverein 100 Mitglieder. Am Ende des unsäglichen Krieges sind 23 davon in den grausamen Schlachten gefallen.
1919 gibt es wieder Hoffnung auf allgemein bessere Zeiten. Der Turnverein eröffnet am 22. Januar mit seiner Turnratssitzung das “neue“ Vereinsleben. 84 Mitglieder sind jetzt eingetragen.
Es kann losgehen!
Anmerkung:
Für Interessierte an der Geschichte Gondelsheims und seines Turnvereins empfiehlt sich das reich bebilderte Buch TURNVEREIN GONDELSGEIM 1901 E.V. 100 Jahre. Es sind noch einige Exemplare bei Manfred Boos verfügbar.